23.06.2025
Die Tendenz, über eigene Fehler oder Missgeschicke nicht zu sprechen ist allzu menschlich. Beim Datenschutz geht es aber um die Folgen, die unbeteiligte Dritte erwarten, "wenn etwas passiert". Der konkrete Fall ist zudem besonders problematisch, weil er im medizinischen Umfeld angesiedelt ist.
Die IT-Systeme eines Handelsunternehmens, das Krankenbedarf verkauft, wurden kürzlich gehackt. Ob verarbeitete Daten von Kunden samt ihren Verordnungen und Diagnosen in fremde Hände gelangten, wurde bei der Wiederherstellung der Systeme nicht erhoben. Der Betrieb gab sich damit zufrieden, dass nach einiger Zeit wieder alles funktionierte. Ältere Datensätze mit Verordnungen u.Ä., die nicht wieder hergestellt werden konnten, blieben unbeachtet.
Die Handhabung des Vorfalls durch die Verantwortlichen wäre nur unter sehr strengen Voraussetzungen rechtskonform. Denn bereits ein MÖGLICHES "Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen" löst eine Meldepflicht des Vorfalles an die Datenschutzbehörde und die Pflicht zur Benachrichtigung der Betroffenen aus (Art. 33 u. 34 DSGVO). Fraglos haben diese Meldungen Konsequenzen für den Betrieb, die nicht angenehm und mit erheblichem Aufwand verbunden sind.
Die betroffenen Verantwortlichen haben sich über die Möglichkeit eines Datendiebstahls bzw. einer unerlaubten Freisetzung sensibler Daten, die sie verarbeiten, nicht informiert und ihre Maßnahmen darauf beschränkt, ihre IT-Systeme wieder einigermaßen herzustellen. Dies ist (nachdem auch sensible Daten verarbeitet werden) lediglich dann zulässig, wenn es sich ausschließlich um verschlüsselte Daten gehandelt hätte, die keinen Schaden anrichten können, wenn sie in die Hände unbefugter Pesonen gelangen.
Welche Empfehlungen kann man aus dem Vorfall ableiten?
Die aktuelle Rechtslage ist nicht ganz durchsichtig, die strategische Betrachtung der europäischen Situation im IT-Bereich ist jedoch klar: Die Abhängigkeit von US-amerikanischen Softwarelösungen und der Umstand, dass die Verarbeitung europäischer Daten in den USA erfolgt, ist spätestens seit der Amtsübernahme durch den 47. Präsidenten der USA hoch problematisch.
Während sich jüngsten Berichten zufolge die EU-Kommission mittlerweile um den Aufbau einer eigenständigen europäischen Cloud-Infrastruktur bemüht, die es den Nutzern möglich machen sollte, europäische Gesetze einzuhalten, liegt es aber an jedem Einzelnen, wenigstens zu versuchen, aus der Umarmung durch die US-Softwarekonzerne und die Geheimdienste der USA auszubrechen. Möglichkeiten dazu gibt es genug.
Anlässlich des Wartungsendes von Windows 10 könnte man etwa seinem PC ein neues, ressourcenschonendes Betriebssystem verpassen. Dazu bieten sich verschiedene Linux-Distributionen an. Die gibt es - ohne Leistungseinschränkung! - kostenfrei, ohne Werbung und mit einem beeindruckenden Office-Paket. Die vorher mit MS-Office erstellten Dokumente können auch unter Linux problemlos geöffnet, editiert und im ursprünglichen Format wieder abgespeichert werden. Technische Hindernisse, die den Umstieg nicht ratsam erscheinen lassen, existieren kaum. Die regelmäßigen Updates der Desktop-Versionen von Linux sind auch durch ungeübte Personen mittels eines einzigen Mausklicks ohne Schwierigkeiten zu erledigen.
Für einige Spezialanwendungen kommt Linux nicht als Betriebssystem in Betracht. Dies betrifft jedoch weniger die PC-Welt, als die verwendeten Server-Lösungen. Systeme, die nur auf Microsoft-Servern laufen gibt es. Deren Ersatz durch gleichwertige Alternativen verursacht einigen Aufwand, vorallem in der Vorbereitung. Da gilt es die Frage zu klären, ob alternative Systeme alle benötigten Funktionen aufweisen.
IT-Dienstleister, die im Softwarebereich unterstützen, sind meistens in der Lage, bei der strategischen Auswahl von Systemen zu beraten. Wenn Funktionen erforderlich sind, die lediglich mit Microsoft-Servern betrieben werden können, sollte man sich nicht davor fürchten. Für alle anderen Herausforderungen lohnt es sich jedoch, zu den meist kostengünstigeren und teilweise sogar technisch überlegenen Alternativen zu greifen.
Quellen:
https://www.derstandard.at/story/3000000266405/wie-europas-open-source-versagen-in-die-us-abhaengigkeit-gefuehrt-hat(22.4.2025)
https://www.derstandard.at/story/3000000264218/europaeische-alternativen-in-der-digitalen-welt-ja-die-gibt-eshttps://european-alternatives.eu/(12.4.2025)
https://www.republik.ch/2025/03/31/die-us-regierung-hat-die-moeglichkeit-auf-viele-politikermails-in-europa-zuzugreifen?utm_source=firefox-newtab-de-de(13.3.2025)
In der Klienteninformation Nr. 49 haben wir einen Fall geschildert, in dem ein Schuldner in Deutschland an ein von Betrügern gefälschtes Bankkonto bezahlt hat. Der Klage des Gläubigers wurde stattgegeben, weil er ja das vereinbarte Entgelt noch nicht erhalten hatte. Gleichzeitig wurde aber dem betrogenen Schuldner ein Schadenersatz in Höhe des an die Betrüger überwiesenen Geldbetrages zugesprochen, weil der Gläubiger, also der Kläger, sein E-Mail mit der Rechnung und der richtigen Bankverbindung nicht ausreichend nach dem Stand der Technik geschützt hatte.
In einem ähnlichen Fall hat nun der OGH in Österreich entschieden, dass der Schuldner, der ebenfalls an ein Konto von Betrügern gezahlt hatte, den Anspruch des Gläubigers nicht erfüllt hat und die ausständige Zahlung noch leisten muss. Für den Umstand, dass die Zahlung noch nicht mit schuldbefreiender Wirkung geleistet wurde, sei es unerheblich, ob das Mail-Spoofing durch Sicherheitslücken im Bereich des Gläubigers oder des Schuldners verursacht worden sei. Der Gläubiger habe sein Bankkonto und den Erfüllungsort nicht verändert, das Risiko des korrekten Zahlungseinganges trage daher der Schuldner. Der habe - trotz widersprüchlicher Informationen, die er irrtümlich dem Gläubiger zuschrieb - eine finale, zweifelsfreie Prüfung der richtigen Kontodaten unterlassen (allerdings war der Gläubiger telefonisch im entscheidenden Moment nicht erreichbar).
In seiner Urteilsbegründung erwähnt der OGH, dass seitens der beklagten Partei im Verfahren keine Gegenforderung als Schadenersatz für die fälschlich an die Betrüger geleistete Zahlung angemeldet wurde. Damit schafft der Gerichtshof Raum für die Annahme, dass eine solche Forderung durchaus für den Ausgang des Verfahrens wichtig hätte sein können. In diesem Fall wäre nämlich durchaus zu prüfen gewesen, ob die Täuschung ursächlich mit Nachlässigkeiten im Bereich des Klägers oder des Beklagten im Zusammenhang gestanden ist.
Schlussfolgerung:
Quellen:
https://ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Fachgebiet=&Gericht=&Rechtssatznummer=&Rechtssatz=&Fundstelle=&Spruch=&Rechtsgebiet=Undefined&AenderungenSeit=Undefined&JustizEntscheidungsart=&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True&GZ=8Ob121%2f24p&VonDatum=&BisDatum=29.03.2025&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=7a61a684-495e-4b85-9a05-a717ce1b7d08&Dokumentnummer=JJT_20250114_OGH0002_0080OB00121_24P0000_000
https://www.derstandard.at/story/3000000263474/betrueger-schickten-falsche-kontonummer-kaeufer-muss-zweimal-zahlen(8.4.2025)